… Weiterfahrt nach Hángzhōu (杭州)
Als ich das erste Mal diese Strecke gefahren bin, habe ich noch 3 Stunden gebraucht und bin entweder in total ramponierten Bussen oder mit Bummelzügen unterwegs gewesen. Das ist heute anders. Ganz anders.
Züge sind pünktlich
Es gibt zwar noch nicht den „Maglev“ (Magnetic Levitation – also Schwebebahn), der mit gut 300 km/h vom Flughafen Shanghai in die Innenstadt gleitet, aber die neuen Schnellzüge fahren ebenso schnell. Insofern ist man bereits innerhalb einer Stunde von Shanghai nach Hangzhou gesaust.
Auch das Warten am Bahnhof hat nichts mehr gemein mit einem Einkaufsandrang vor Feiertagen oder zum WSV, sondern es geht unglaublich gesittet zu. Wartehallen, Schlange stehen, leere Gleise waren mir bisher unbekannt. Normalerweise drängelte sich immer alles auf dem Gleis und sobald der Zug einfuhr, wurde gestopft, geschoben und durch die Fenster geklettert.
Nicht diesmal. Wir sassen artig am Gleis (erstmal am falschen, das haben wir aber schnell korrigiert) und warteten auf unseren Zug. 15 Minuten vor Einfahrt (pünktlich – ist auch eher unüblich, zumindest wenn man deutsche Fahrpläne gewohnt ist) gingen die Schleusen auf und man steigt ein, eher wie hierzulande in einen Flieger.
Nun aber gut, ich wollte ja von meiner Rückkehr nach Hangzhou erzählen. Zugegeben, aufgeregt war ich schon. Würde sich Enttäuschung breit machen, hatte sich das Stadtbild sehr verändert, würde es mir immer noch gefallen?
Um das vorweg zu nehmen: es gefällt!
Seelenzuflucht im Língyǐn Tempel – 灵隐寺
Wir übernachteten im kleinen Ger Guesthouse in der Nähe des Klosters der Seelenzuflucht (Língyǐn Tempel – 灵隐寺), ein paar Kilometer ausserhalb des Stadtkerns. Um uns herum kleine Restaurants, die gut von den Mönchen der umliegenden Tempel frequentiert wurden. Das Essen war somit vegetarisch und unglaublich lecker.
Die Tempelanlage selbst hat sich mit den Jahren kaum verändert. Einzig das gesamte Areal ist unglaublich gross geworden. Es gibt weitere Tempel in den Bergen, Teehäuser mit Fischteichen und Wanderwege. Alles eingebettet in die umliegenden Teeplantagen. Richtig idyllisch.
Westsee (西湖) – Idylle mit Megaphon
Wir sind trotz Regen und Grippe die ganze Zeit an der frischen Luft gewesen und viel Spazieren gegangen. Das kann man in Hangzhou auch unglaublich gut. Der Westsee (Xī Hú – 西湖) hat eine Fläche von 6,5 km² und ist nur bis zu 2,5 Meter tief. Die beiden Dämme Sū Dī (苏堤) und Bái Dī (白堤), benannt nach zwei Dichtersöhnen der Stadt, teilen den See in mehrere Teile. Man kann von einem Ufer zum anderen laufen, muss aber aufpassen, dass einen die Elektroautos nicht umfahren. Das fällt aber nicht schwer, denn es herrscht Dauerbeschallung aus einem an der Dachreling angebrachten Megaphon.
Aber trotz des anhaltenden Lärms und den dauerquaselnden Chinesen wirkt die Szenerie idylisch. Weiden hängen ihre langen Äste ins seichte Wasser, Schiffer staksen ihre Boote mit langen Stöcken durch den See, eine leichte Brise kräuselt die Wasseroberfläche, Kirschbäume öffnen ihre ersten Blüten.
Sumpflandschaft und Schischi (Xīxī National Wetland Park – 西溪国家湿地公园)
Ein weiteres Highlight für mich war der Xixi National Wetland Park (Xīxī Guójiā Shīdì Gōng Yuán – 西溪国家湿地公园). Er liegt circa 5 Kilometer vom Westsee entfernt, im Westen der Stadt. Da haben die Chinesen sich echt was einfallen lassen. Hier wurden 11,5 km² Land in einen RIESIGEN Nationalpark verwandelt, Sumpflandschaften, Wasserstrassen und kleine Teiche angelegt, ein paar Luxushotels inmitten des Parks versteckt und einige kleine, alte Wasserdörfer für Touristen „hergerichtet“, so dass man dort nun auch kleine Restaurants und Souvenierläden findet. Es gibt hier den gleichen Schischi, den gleichen Nippes, wie überall – aber eben in wunderschöner Umgebung 🙂
Ich denke, dass man im Sommer auch hier gelb oder rot bemützte Reisegruppen trifft, die ihrem Reiseleiter mit identischer Mützen-, Schirm- oder Fähnchenfarbe und Micro vorm Mund, sowie kleinem Verstärker an der Gürtelschnalle folgen. Wir waren im Frühjahr und konnten das Areal in mystischer Ruhe geniessen.
Einen ganzen Tag sind wir entweder mit dem Boot oder zu Fuss durch die idyllische Landschaft gestreift. Wir hatten uns zeitlich, wie auch orientierungstechnisch total verfranst und standen somit erst im Dunkeln wieder draussen auf der Strasse in Richtung Innenstadt. Erschöpft und erholt zugleich. Urlaub in der Grossstadt, aber abseits von allem Trubel.
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